Glocknerkönig 2016 – Ein Ausflug in die Rennradszene
…ein Erfahrungsbericht von Eva Lehner
Vor gut 2 Wochen beschloss ich kurzfristig, mich beim Glocknerkönig anzumelden… Nun ja, an und für sich nix besonderes, sich bei einem Radrennen anzumelden … aber der Glocknerkönig ist ein RENNRADrennen, und ich HAB zwar ein Rennrad, aber ich BIN keine Rennradfahrerin… ich bin MOUNTAINBIKERIN, und das durch und durch, mit Leib und Seele, von Kopf bis Fuß, vom Scheitel bis zur Sohle, vom Vorderrad bis zum Hinterrad… Mein Rennrad wird eher stiefmütterlich behandelt, es wird dann gebraucht, um meine lange Grundlageneinheit auf der Straße zu absolvieren, oder wenn mein Bike beim Zauberschrauber meines Vertrauens steht.
Prinzipiell unterscheidet sich ja der Ablauf einer Rennradveranstaltung nicht wirklich von einem Mountainbike-Event, am Vortag Anreise, ins Hotel einchecken, Radkeller begutachten, Startnummerunterlagen im Rennbüro abholen, Konkurrenz abchecken, nervös werden, Rad herrichten…. Wobei ich positiv feststellen musste, dass das beim Rennrad schneller geht als beim MTB, denn beim Bike muss auf alles mögliche geschaut werden. Gabel vorne, Dämpfer hinten, die Bremsscheibe schleift beim Einfahren, muss zentriert werden, welchen Reifen bei welchem Untergrund und und und… beim Rennrad: Bremsen gecheckt, fertig.
Natürlich gibt es beim Glocknerkönig auch die obligatorische Pasta-Party, wobei dies vom Veranstalter anders als üblich organisiert wird. Beim Glocknerkönig kann man in fast allen Lokalen in Bruck und Fusch gegen Vorlage des Gutscheins Kohlenhydrate tanken, was ich persönlich als sehr angenehm empfunden hab. Denn meistens finden Pasta-Partys in irgendwelchen Hallen auf Biergarnituren und mit Plastiktellern statt. Also alles andere als gemütlich…
Nachdem wir (mein Mann, mein Bruder und ich) unsere Rennräder soweit rennfertig hatten, brachten wir unsere Kleidersäcke zur Abgabestelle. Ein weiteres Novum für mich. Da es ja bekanntlich am Großglockner meist etwas kühl ist, hat man eben beim Glocknerkönig die Möglichkeit, warme Kleidung im Ziel am Fuschertörl zu deponieren, was seeeeehr empfehlenswert ist, weil es beim Runterfahren wirklich arschkalt (sorry für den Ausdruck) ist…
Nun ja, die Nacht war – wie immer vor einem Rennen – durchwachsen. Eine gewisse Nervosität gehört bekanntlich dazu, egal ob Rennrad- oder Bikerennen. Der Wecker läutete wie immer viel zu früh. Beim Anziehen der Radklamotten stellt sich wie so oft schon heuer die Frage: Beinlinge oder Knielinge oder ganz ohne, dünne oder dicke Ärmlinge, Regenjacke anziehen, nur mitnehmen oder ganz weglassen… Das Wetter lud eher dazu ein, sich nochmal aufs Ohr zu hauen, als sich in den Sattel zu schwingen. Es regnete. Nein besser gesagt: Es schüttete wie aus Eimern (=Kübeln).
Dann: Frühstücksbuffet… Normalerweise liebe ich ja Frühstück, aber immer dann, wenn der Kopf sagt: iss, du brauchst es, sagt der flaue Magen: NEIN, ich mag nix… Wenn man dann so beim Frühstückstisch sitzt, das halbe Marmeladesemmerl irgendwie mit Mühe und Not runterwürgt und so in die Runde schaut, fragt man sich immer wieder aufs Neue: was in aller Welt mach ich hier eigentlich? Der Frühstücksaal ist voll von frisch rasierten, muskulösen, ausgezerrten… Männerwadeln, Ötztaler-Finisher-T-shirt-Träger und Dolomiti-SuperGiro-Bezwingern, irgendwie komm ich mir da fehl am Platz vor… Als dann auch noch ein norddeutscher Möchtegernprofi bei seinem Zimmerkollegen entsetzt feststellt: „ Ja sach mal, biste noch richtig im Kopp, du isst VOLLKORNBRÖTCHEN???? Mensch, du musste helle Brötchen essn, die belasten dein Verdauungssystem nich so stark!“ wusste ich, die sind alle motiviert bis in die Haarspitzen… Wobei, naja, mir fällt auf, dass es unter den Radfahrern schon sehr viele Exemplare gibt, die keine Haarspitzen, sondern eher glattpolierte Glatzen haben… mhm…Trend oder Testosteron-Überschuss???… Weil ich Glatzen nicht attraktiv finde, sind die Aufmerksamkeit auch schnell auf Wichtigeres gelenkt. 😉
Nach dem Frühstück machten wir uns dann fertig zur Abfahrt. Das geplante Einradeln von unserer Unterkunft Roemerhof ( www.roemerhof-fusch.at, übrigens sehr empfehlenswert!) in Fusch nach Bruck fiel buchstäblich ins Wasser, es regnete leider noch immer. Also fuhren wir mit dem Auto zum Start und wie bestellt, hörte es auf zu regnen. Auch das obligatorische Aufstellen in die ausgeschilderten Startblöcke unterschied sich nicht von MTB-Rennen, und so warteten wir mit etwas zappeligen Beinen und dem altbekannte Gefühl: „Oh nein, ich glaub, ich muss nochmal aus Klo…“ auf den Startschuss.
Um pünktlich 7:00 Uhr früh knallte es dann zum Start, und das Starterfeld setzte sich langsam in Bewegung. Die Schlange von 3000 Rennradfahrern schlängelte sich von Bruck hinauf auf der Großglocknerhochalpenstraße auf das Dach Österreichs. Und anfangs war die Steigung noch sehr angenehm. Doch ab Mautstelle Ferleiten merkte man zunehmends, dass wir Höhenmeter machten. Meine Trittfrequenz wurde immer langsamer. Entsetzt musste ich feststellen, dass ich hinten mindestens zwei Kettenblätter zuwenig hatte, denn manche bergerfahrenen Kollegen pedalierten frisch fröhlich an mir vorbei, so wie auch ich es vom Mountainbiken gewohnt bin, während ich mich teilweise stehend die Straße hochkämpfte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit auf regennasser Strasse kamen wir endlich zur Kehre 1, und entgegen meinen Erwartungen kam nach Kehre 1 nicht Kehre 2, sondern laaaange nichts ausser Berg, dann Kehre 2 und wieder laaange nichts ausser Berg…. Und das Wissen, dass es über 20 Kehren sind, ließ meine Motivation in den Keller sinken…. So kurbelte und quälte ich mich die elendslange Straße hinauf. Für mich als leidenschaftliche Mountainbikerin war dies, naja, etwas fad….
Schließlich kamen wir in hochalpines Gelände, die Straße wurde noch steiler, eine Kehre folgte der anderen, und nach guten zwei Stunden hatte ich endlich das Fuschertörl erreicht, wo mir auch gleich eine nette Dame warmen Tee und die Sonne ein paar warme Sonnenstrahlen schenkte. Hier heroben am Fuschertörl wurde ich dann für die etwas eintönige Kurblerei entschädigt, denn das Gefühl, mit dem Rennrad auf dem Großglockner zu stehen, hat man schließlich nicht alle Tage. Trotz einer Unmenge an Radfahrern und Besuchern fand ich dank der guten logistischen Organisation meinen Kleidersack auf Anhieb, und nachdem ich mir gefühlte 5 Schichten Kleidung übergezogen hatte, ging es zurück ins Tal. Obwohl die Temperaturen für diese Höhe relativ angenehm waren und wir dem Michelin-Männchen mit unserem Schichten-Look Konkurrenz machten, spürte ich nach kurzer Zeit meine Fingern und Zehen nicht mehr. In diesem Zustand macht eine Abfahrt auf einer 27km langen, regennasser Fahrbahn – ihr könnt’s euch denken – wenig Spaß.
Während dieser nicht enden wollenden Abfahrt stellten sich mir dann wieder zwei Fragen:
- Macht Adrenalin vergesslich? Es muss so sein, denn sonst kann ich es mir nicht erklären, dass man sich solche Qualen immer wieder antut… Ja, das Adrenalin in unseren Adern sorgt wahrscheinlich dafür, dass wir vergessen, dass wir uns während eines Rennens gefühlte 100 mal schwören, NIE WIEDER so etwas zu machen.
- Wofür mach ich das Ganze? Wieso tu ich mir das an, anstatt an einem Sonntag gemütlich auszuschlafen, bei einem ausgedehneten Frühstück die Zeitung zu lesen und nachmittags auf der faulen Haut zu liegen? Als ich dann von der netten Kellnerin im Wirtshaus meine Eispalatschinke serviert und ich ihn mit gutem Gewissen genießen konnte, hat sich auch diese Frage beantwortet… 😉
Das war also der Glocknerkönig 2016, eine super Idee, super Veranstaltung, top organisiert, es gibt nichts, was man ändern sollte…. ABER ich bin halt im Herzen Mountainbikerin, und jetzt freue ich mich auf mein Bike, die Trails, Gatsch, Steine, Dreck, Schlamm usw…….. 😉
In diesem Sinne, Kette links!!!